Nur zu Besuch? – Kandidat:innen einstellen, die bleiben.

Der Beginn des Nachdenkens über den Onboardingprozess sollte bei dem Thema Kultur und Incentives beginnen: Welches Verhalten ist gewünscht und wird gefördert? Wie kann man neue Mitarbeitende mit der eigenen Unternehmenskultur vertraut machen und positive Akzente in diesem Bereich setzen?

Manche Berufsbereiche haben mit Vorurteilen zu kämpfen und die öffentliche Meinung nimmt viel Einfluss darauf, in welchen Bereichen sich jemand bewirbt. Egal ob es um Investmentbanking, die Müllabfuhr oder die lokale Metzgerei geht, immer gibt es Menschen im Umkreis der Bewerbenden, die eine sehr spezielle Meinung dazu haben, die es dem Bewerbenden erschwert, den Bewerbungsprozess gut zu bestehen oder sich längerfristig gegen die Meinungen von Freunden und Familie zu behaupten. Auch die Ausbildungs- und Studiengänge vermitteln nicht immer Einstellungen, die zu vielfältigen Lebens- und Berufsentscheidungen im Anschluss passen, so dass es einen Gap zwischen den Erwartungen auf beiden Seiten geben kann.

Zunächst sollte man daher einen Kulturschock bei neuen Mitarbeitern vermeiden oder abfedern, indem Werbebotschaften aus dem Recruiting mit der realen Unternehmenskultur übereinstimmen.. Falls dies nicht vollständig gelingt, sollten neue Mitarbeitende aufgefangen und mitgenommen werden, um Irritationen abzufedern und Kündigungen oder den Nichtantritt der Stelle zu vermeiden.

Ich selbst habe erlebt, was es heißt, aus der Universität und der Startup-Szene in  den Verwaltungsbereich  zu wechseln, also Bereiche, die sich in Grundhaltungen, Werten und Arbeitsweisen massiv unterscheiden.  Vielfältige Lebenswege, Diversität und Internationalisierung führen zu unterschiedlichen Erwartungen, die kaum ein Betrieb immer zu 100% erfüllen kann. Dies ist selbst innerhalb der gleichen Branche relevant, da jeder Betrieb anders arbeitet und andere Strukturen etabliert hat, um sich am Markt zu bewegen.

Daher ist Transparenz und Klarheit, was geleistet werden kann und was nicht bei allen Werbebotschaften und dem Employer Branding erforderlich. Insbesondere ergeben sich für die meisten Mitarbeitenden nach einiger Zeit im Betrieb die genau passenden Stellen, da das Vertrauen wechselseitig gewachsen ist und man sich untereinander besser einschätzen kann. Um dieses gegenseitige Kennenlernen und die Vertrauensbildung zu fördern, bieten sich Teamevents und ein Onboardingkonzept an, dass kulturelle und persönliche Aspekte neben der fachlichen Arbeit berücksichtigt. Ein Beispiel für die organisatorische Umsetzung ist der Einsatz von Lernbegleitenden, die dafür zuständig sind, ganzheitliche Fragen im Onboardingprozess aufzugreifen und mit den Führungskräften im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung zu thematisieren.

Onboarding sollte daher nicht überall dazu führen, dass es eine durchgehende Standardisierung gibt, sondern Möglichkeiten für Nischen und persönliche Karrierepfade schaffen, so dass die Einarbeitung immer auch mit zukünftigen Plänen und Hoffnungen verbunden wird und Menschen so mit großer Motivation an die Arbeit gehen.

Einen Glauben an die eigene positive Gestaltung im und mit dem Unternehmen zu vermitteln und Werte zu predigen, wird zunehmend zur Unternehmensaufgabe, um Menschen in der Eigenverantwortung und positiven Grundhaltung zu stärken, da viele Menschen sich privat und gesellschaftlich verunsichert fühlen und die Arbeit als sicheren Ort in ihrem Leben verstehen wollen. Die Vermittlung der Sinnhaftigkeit und der inneren Logik des Arbeitsprozesses hilft dabei, auch Aufgaben zu übertragen, die an sich nicht attraktiv sind.

Die Vielfalt der Mitarbeitenden umfasst nicht nur Digital Natives und Generation Z als bestimmte Altersgruppen, sondern auch eine Vielfalt unterschiedlicher Motivationen und Prägungen, die das Unternehmen jeweils aufgreifen kann, so können Aspekte wie Nachhaltigkeit oder das Gefühl „etwas Gutes tun zu wollen“ Gehalts- oder Karrierefragen überlagern.

Corporate Influencer Programme bieten Digital Natives Möglichkeiten sich digital im Unternehmen einzubringen, so dass eine flexible Aufgabenbeschreibung eine starre Stellenbeschreibung ersetzen kann, um die Motivation der Mitarbeitenden zu fördern.

Die Personalrekrutierung und -entwicklung über schwierig zu lösenden Aufgaben und Problemstellungen macht Talente besonders sichtbar, so dass diejenigen, die die Probleme der Betriebe am besten lösen können, auch zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und befördert werden. Auf die gleiche Weise können Mitarbeitende mit fachlichen Herausforderungen im Rahmen von Projekttätigkeiten an das Unternehmen gebunden werden, wichtig dabei, ist der regelmäßige Austausch, so dass die Aktivitäten im Rahmen der regelmäßigen Entwicklung stattfinden.

Wenn man miteinander im Gespräch bleibt und sich Zeit füreinander nimmt und die wechselseitigen Ziele und Motivationslagen schätzt und wechselseitig fördern möchte, entwickelt sich eine stabile Beziehung, die weit über die Regelungen eines Arbeitsvertrages hinaus gehen.

Wenn man sich aufgrund von Überarbeitung und Personalmangel keine Zeit für die kulturelle und soziale Einarbeitung nimmt, sondern sich nur auf die fachlichen Themen stürzt, ist einfach zu erklären, dass es zu Gaps in den Erwartungen und zu mangelnder Identifikation mit dem Betrieb und mangelnder Attraktivität des Arbeitsplatzes kommt, die immer auch zur Kündigung führen kann.

Den Onboardingprozess durch Offboardinggespräche in diesen Fällen abzurunden und die Personalarbeit in diesem Sinne kontinuierlich zu verbessern, ist die Aufgabe von allen Führungskräften gemeinsam mit den Mitarbeitenden und der Personalabteilung.

Florian Zejewski,Experte für Personalgewinnung und -bindung, Verwaltungspunk